Gedanken zur Leichtathletik

Von Hans Güth:

Gedanken zum Versagen deutscher Sportler auf internationaler Basis

Nach dem relativ schwachen Abschneiden der deutschen Leichtathleten bei den in der Hauptstadt Ungarns, Budapest, ausgetragenen Weltmeisterschaften ist es Zeit, über die Ursachen des Versagens deutscher Sportler in einigen Sportarten nachdenken

Der ehemalige Zehnkämpfer und Olympia-Zweite im Zehnkampf in Atlanta 1996, Frank Busemann, äußerte zum Versagen deutscher Sportler:  Die Probleme seien „strukturell“ und „über viele Jahre gewachsen“. So ist es im Artikel „Lascher Umgang schafft keine Siegertypen“ in der Ausgabe der „Volksstimme“ vom 30. 8. nachzulesen.  

Als ehemaliger Sportlehrer und aktiver leistungsorientierter Leichtathlet stimme ich dem im Artikel Geäußerten vorbehaltlos zu. Erfolg im Leistungssportbereich entsteht meist durch erfolgreiche „Auslese“. Je breiter eine Basis, desto höher kann eine Spitze ragen. Ehemalige Erfolge der DDR-Sportler basieren auf der Grundeinstellung des Staates zum Sport und der Unterstützung durch die Bevölkerung.  Die meisten DDR-Bürger waren damals stolz auf die internationalen Erfolge ihrer Leistungssportler.

Mit Bedauern beobachtete ich nach der Wiedervereinigung einen Wandel in der Einstellung zum Sportgeschehen- den Wandel zum kommerziellen/ geschäftlichen. Das Geld veränderte die Sichtweise auf den in der DDR gepriesenen Sport. Viele DDR-Trainer und Leistungssportler folgten dem Ruf des Geldes in Vereine des In- und Auslandes. Die Wahl einer bestimmten Sportart wurde früher von der Attraktivität bestimmt.  Heute bestimmt die Möglichkeit, Geld zu verdienen, die Auswahl mit. Ohne Investoren kann sich in unserem Land kaum ein Sport entwickeln. Ist ein Sport wirtschaftlich werbewirksam, finden sich leicht Investoren. Beim Fußball ist durch erfolgreiches Spielgeschehen der Zuspruch von Zuschauern garantiert. Wenn Zuschauer kommen, ist Werbung oft erfolgreich. Also ist man bemüht, gute Spieler „zu kaufen“. Mit ihnen steigen die Qualität und die Attraktivität der Spiele – das lockt die Zuschauer, man kann problemlos die Eintrittspreise zu den Spielen erhöhen. Sportlich ist das für Nationalmannschaften nicht unbedingt förderlich. Bundestrainer haben Mühe, die besten Spieler der Nation zum gemeinsamen Training und Spiel zusammenzubringen.  Diese Spieler spielen in Länderspielen oft gegen die Kameraden des Vereins, der ihnen ihr Gehalt bezahlt. Solange ein Verein für 100-Millionen Euro einen Spieler kaufen kann und diesem 24 Millionen Jahresgehalt zahlt, ist das für Normalbürger schwer verständlich. Dass diese Fakten in Nachrichtensendungen als große Leistung gepriesen werden, zeigt die Moral unseres Staates. Die Leichtathletik, die Kernsportart bei Olympischen Sommerspielen und viele andere schöne Sportarten verfügen nicht über diese Mittel. Hier sollte das Solidaritätsprinzip greifen und der Staat muss lenkend eingreifen. 

Wenn Leistungssportler Sorgen haben, ihr tägliches Training ohne materielle Sorgen durchführen zu können, werden die Leistungen in bestimmten Grenzen bleiben.  Unter diesen Umständen sollten wir Bürger trotzdem stolz auf diejenigen sein, die trotz persönlicher Bestleistungen keine WM-Medaille mit nach Deutschland bringen konnten.

Auch in der Bevölkerung bestimmt der steigende Wohlstand das Leben. Der Wohlstand äußert sich im Besitz von PKWs, mit denen nun die Kinder morgens in die Schule gebracht werden. Die Kinder werden verwöhnt, ihnen wird gezeigt, wie man ohne Anstrengung durchs Leben kommt. Viele Freizeitaktivitäten unterstützten diese Denkart. Weil immer mehr Kinder zu Adiposität neigen, gibt es Überlegungen, in Schulen die  Zensierung im Sportunterrichts wegzulassen. Ich kann dieser Idee nur mit Hohn begegnen. Ich war 40 Jahre Sportlehrer und kann mich nicht erinnern, in der DDR jemals ein „Genügend“ (4) oder schlechtere Bewertung erteilt zu haben. Im Gegenteil: an unserer Schule hatten mindestens 90% aller Schüler die Noten „Sehr gut“ (1) und „Gut“(2). Unsere Benotung basierte auf fünf Teilnoten des Sportunterrichts: Leichtathletik, Gerätturnen, Sportspiele, Bewegungseigenschaften sowie Kampfsport für die Jungen und Gymnastik für die Mädchen Klassenstufen ab Klasse 9.  Dazu gab es für die aktive Betätigung in einer Sportgemeinschaft sowie für Erfüllung der Bedingungen für das Sportabzeichen in „Gold“ die Noten „Sehr gut“. Zusätzlich oblag es den Sportlehrern, bei der Zeugniszensierung die erreichte Endnote um einen Grad zu erhöhen, wenn dem Schüler Bemühen um Leistungsverbesserung zuerkannt werden konnte. Allerdings gab es ab der Klassenstufe 5 grundsätzlich für Nichtschwimmer nur ein „Genügend“!

Dass die guten Sportler auch in anderen Fächern meistens zu den Klassenbesten gehörten, resultiert auch aus den im Sportunterricht anerzogenen zwischenmenschlichen Verhaltensweisen: gesunder Ehrgeiz, Anerkennung der Leistung anderer, Hilfsbereitschaft, kollektives Bemühen um gute Ergebnisse.  An unserer Schule betrieben mehr als 85% aller Schüler außerunterrichtlich Sport.

Viele Eltern übernahmen gern Arbeitsgemeinschaften auf sportlicher Basis. Besonders talentierte Kinder trainierten in Trainingszentren oft dreimal in der Woche. Sportler können „kämpfen“, haben oft die nötige Bereitschaft, sich etwas zu quälen, um entsprechende Leistungen zu erreichen.  Die Schüler hatten viele Möglichkeiten, sich sportlich zu vergleichen. Da gab es Schulmeisterschaften in verschiedenen Sportarten, bei denen sich die Besten für die Teilnahme an Kreismeisterschaften und Spartakiaden qualifizierten. Kreisspartakiaden waren jährlich Höhepunkte für viele sportbegeisterte Schüler und Eltern. Hier nahmen Hunderte Aktive an den Wettkämpfen teil.

Über Sichtungen seitens der Sportverbände und Sportclubs wurden Talente an Sportschulen geholt, dort gefördert und auf ein Leben als Leistungssportler vorbereitet.  Die Erinnerung an die DDR-Methodik in diesem Bereich könnte ein Weg zur Wiederherstellung des guten Rufes des deutschen Sports in der Welt sein. Es gilt, viel zu tun und den Nutzen des Sportes für viele Bereiche des Lebens zu erkennen.


Dieser Artikel wurde veröffentlicht am 17.09.2023 um 16:14 von:
Torben Fischer
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